VKSI Magazin #8 – August Wegmann

wegmannAutor: Matthias Grund

August Wegmann startete 1971 sein Informatik-Studium an der Universität Karlsruhe (TH), dem heutigen KIT – ein Jahr vor der Gründung der Fakultät für Informatik.

Es war ein Hiwi-Job, der seinem weiteren beruflichen Leben schon knappe zwei Jahre nach Studienbeginn eine entscheidende Richtung gab. Ausgerechnet am soziologischen Institut (also im »Orchideen-Garten« der TH) bei Dr. Karl Schlagenhauf fand der junge Student eine Anstellung. Seine Aufgabe: Er sollte bei der statistischen Auswertung von Fragebögen behilflich sein. Eine Arbeit, die mühselig genug war, um August Wegmann auf Abhilfe sinnen zu lassen: Er begann Stücke einer Software zu entwickeln, die ihn unterstützen konnte.

Das war keine leichte Aufgabe, denn ausgetretene Pfade gab es nicht und Rechnerkapazitäten waren ein knappes Gut (14 KB verfügbarer Arbeitsspeicher, 140 KB Floppy Disk). August Wegmann baute aus allem, was ihm brauchbar erschien, ein System zur Datenhaltung mit Abfragefunktionalität, statistischen Auswertungen und graphischer Ergebnisdarstellung. Und das Ganze mit einer Anwenderschnittstelle, die auch für Nicht-Informatiker nutzbar war.

In jener Zeit wurden noch Lochkartenstapel zur Abarbeitung von Batchjobs zusammen mit den Daten abgegeben und Stunden später die hoffentlich brauchbaren Ausdrucke abgeholt. Dabei konnte August Wegmann erste Erfahrungen mit Statistikpaketen sammeln, die ihm ab 1980 bei den Arbeiten auf einem Apple II mit UCSD – Pascal zugute kamen. Aus diesen Anfängen – Persistierung von Tabellen, Query-Funktionalität, graphische Oberfläche – entstand dann im Lauf der Jahre ein Software-System, das in den 80er Jahren in kurzer Zeit (und für einen kurzen Zeitraum – dazu später mehr) das führende relationale Datenbank-System außerhalb der Großrechnerwelt wurde: Adimens.

Adimens wurde entwickelt und vertrieben von der Karlsruher Firma ADI, deren Mitgründer und Gesellschafter August Wegmann war. ADI machte Karlsruhe als Standort für SoftwareEntwicklung in der ganzen Welt bekannt. Verfügbar war Adimens initial für den damals revolutionären Apple II, später für Lisa und MacIntosh. Im Lauf der Jahre kamen HP-Rechner, der IBM-PC, DEC PDP 11, VAX-Rechner, verschiedene Unix-Rechner (sun, HP) dazu, im Jahr 1987 war Adimens 4 für Windows verfügbar. Die Zersplitterung der Hardware- und Betriebssystem-Landschaft machte die flächendeckende Verbreitung von Adimens zu einer wahren Herkulesaufgabe für die kleine Karlsruher Softwareschmiede.

Diejenige Leistung, die ich persönlich am meisten schätze, war die Implementierung von Adimens auf dem Atari ST: Wir schreiben das Jahr 1986. Atari ST war mein Arbeitsplatzrechner, eine kostengünstige Alternative zu den um Faktoren teureren Macs. Unsere Werkstudenten, ich arbeitete damals bei einer Siemens-Tochter, kamen jeden Tag voller Stolz mit einem neuen Stapel von 3,5 Zoll-Disketten – mit einer Kapazität von 720 KB, später 1,44 MB – voller raubkopierter Software2 zur Arbeit. Meist handelte es sich um Spiele, manchmal aber auch um neue Büro-Programme wie Textverarbeitung oder Spreadsheets. Einmal war sogar eine komplette Smalltalk-80-Umgebung dabei – sie wurde meine erste Begegnung mit Smalltalk. Eines Tages waren die Studenten besonders stolz: »Hier – endlich eine echte relationale Datenbank!«. Das war Adimens.

Den Kopf hinter Adimens, August Wegmann, lernte ich erst gut 25 Jahre später persönlich kennen. Er konnte mir lachend versichern, dass ADI damals auch mit der Version für den Atari tatsächlich Geld verdient hat. Was aber viel wichtiger war: Mit der Atari-Version hat er es einer Generation von neugierigen jungen Softwerkern ermöglicht, erste experimentelle Erfahrungen mit einem relationalen DB-System zu machen. Es waren nicht die Raubkopien, die 1989 zur Einstellung des Produktes Adimens führten, sondern die Einführung von Access als integriertem Bestandteil des Microsoft Office-Pakets. Damit war die Pionierzeit bei den Datenbanken zu Ende. Marktmacht, Produkt-Bundling und Normierung bestimmen seither den Datenbank-Markt.

In den 90er Jahren bearbeitete August Wegmann zwei ganz andere Felder: Zwischen 1990 und 1995 entwickelte er Anwendungen und Werkzeuge auf der Grundlage von Systemen wie Hypercard. Fünf Jahre, bevor das World Wide Web mit HTML Fahrt aufnahm, hat August Wegmann die Möglichkeiten einer Hypertext-Umgebung nicht nur erkannt, sondern umgesetzt: Er entwickelte für eine Bank einen Editor, mit dem eine Hypermedia-Anwendung (ein Kiosk-System für Kunden) von den zuständigen Sachbearbeitern bearbeitet werden konnte. Dieser Editor war also ein frühes Content Management System für ein Hypermedia-System. Ebenfalls in den frühen 90er Jahren entstand ein Homebanking-System. Die Kommunikation erfolgte nicht über das Internet, sondern über BTX, das damalige Angebot der Bundespost.

So war es nur folgerichtig, dass August Wegmann auch zu den WWW-Pionieren gehörte: Sowohl der Banking-Kiosk als auch das Homebanking-System wurden 1996 und 1997 auf die neue Plattform umgestellt. 1998 wurde August Wegmann dann als Professor für »Elektronische Medien und Märkte« berufen. Als Professor und auch in anderen Funktionen, z. B. als Vorstand des VKSI, gibt August Wegmann seine reiche Erfahrung weiter. Der Gründer mancher erfolgreicher Karlsruher Firma ist durch seine Schule gegangen. Neben seiner Lehrtätigkeit ist Professor Wegmann heute ein gefragter Experte für Gutachten und Analysen in Fragen von Software-Qualität, Performanz und optimalem Datenbank-Einsatz. Besonders aufmerksam verfolgt er die Entwicklung von HANA – vielleicht die nächste Datenbank aus Deutschland, die Geschichte schreiben wird. August Wegmann hat mit seinen Ideen und Händen Pionier-Software entwickelt. Im Gegensatz zu manch anderem ist er damit aber nicht reich geworden, er besitzt weder Yachten noch Luxusvillen. Sein größter Luxus sind seine Fahrräder, mit denen er den meisten Zwanzigjährigen immer noch davonfährt – ungeachtet seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters von 60 Jahren. Ich bin stolz darauf, dass August Wegmann mein Freund ist und nicht Larry Ellison.

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